Neue Stelle, neue Stadt, doch Wohnungen gibt es kaum. Immer mehr Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern selbst Wohnraum bereit. Trotz Konjunkturkrise bleibt das Thema wichtig - nicht nur für Firmen.
Wer für eine neue Stelle an einen anderen Ort ziehen muss, steht oft vor einem großen Problem: Es gibt kaum noch bezahlbaren Wohnraum, insbesondere in Städten und Ballungsgebieten. Arbeitnehmer stellen sich daher zunehmend die Frage, ob der Ortswechsel für den neuen Job die Mühe wert ist. Seit Jahren versuchen deshalb immer mehr Firmen, ihre Beschäftigten bei der Wohnungssuche zu unterstützen - oft mit eigenen Immobilien. Schließlich können sie es sich kaum noch leisten, junge, talentierte Bewerber zu verlieren, weil die keine Wohnung für sich und ihre Familien finden. Auch wenn derzeit infolge der Konjunkturkrise vor allem in der Industrie Tausende Stellen abgebaut werden, habe das Thema Mitarbeiterwohnen nicht an Dringlichkeit verloren, sagt Leon Kesselhut, Projektmitarbeiter beim Beratungsunternehmen Regiokontext. «Nicht nur die Unternehmen, auch Verbände reden darüber, die IHKs haben das auf dem Schirm und das Bundesbauministerium ist sehr engagiert.» Auch Kommunen sind interessiert: Eine zunehmende Nachfrage nach Beratung gebe es auch aufseiten der Städte und Gemeinden. «Kommunen kommen inzwischen genauso oft wie Unternehmen auf uns zu, um mit uns einen Strategieprozess zu entwickeln, gesamtstädtisch oder zu einer konkreten Liegenschaft», sagt Kesselhut. Durch das Planungsrecht käme den Kommunen bei der Bereitstellung von Flächen für neue Mitarbeiterwohnungen ein wichtiger Hebel zu. «Sie haben auch im Sinne der Daseinsvorsorge ein großes Interesse an dem Thema.» Die Unternehmen wiederum müssten angesichts des fortschreitenden demografischen Wandels ganz unabhängig von der konjunkturellen Situation sicherstellen, dass sich Fachkräfte für sie entscheiden, sagt der Regiokontext-Experte. Wohnen zentraler Entscheidungsfaktor für Arbeitnehmer! Wer als Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine bezahlbare Wohnung vermitteln oder zur Verfügung stellen kann, ist dabei klar im Vorteil. «Die Möglichkeit, am Arbeitsort adäquat zu wohnen, wird zunehmend zum Entscheidungsfaktor für einen neuen Arbeitgeber», teilt der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) auf Anfrage mit und verweist unter anderem auf eine Umfrage des Beratungskonzerns PWC unter Beschäftigten aus dem Jahr 2023. Mehr als jeder zehnte Befragte gab dabei an, aufgrund zu hoher Mieten schon einmal den Job gewechselt zu haben. Mehr als 80 Prozent sahen in der Wohnraum- und Mietsituation ein großes Hindernis für Arbeitgeber, um Fachkräfte zu finden und zu halten. Eine halbe Million Unternehmen sind dabei: Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hat im Jahr 2024 im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung untersucht, wie weit die Unternehmen darauf reagieren. Demnach unterstützen inzwischen mehr als eine halbe Million Firmen in Deutschland ihre Beschäftigten direkt oder indirekt bei der Versorgung mit Wohnraum. Das entspreche einem Anteil von knapp 17 Prozent aller Unternehmen in Deutschland. Direkt mit Wohnraum versorgen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter demnach rund 170.000 Unternehmen beziehungsweise gut fünf Prozent. Das heißt aber auch: Ein großer Teil der Unternehmen bietet noch keine Unterstützung für die Beschäftigten an. Es muss nicht immer selbst gebaut werden: Die Firmen können etwa eigene Wohnungen bauen und vermieten. Allerdings sind Bauflächen rar gesät und teuer. Wer ein großes Werksgelände hat oder Firmengebäude umwidmen kann, ist da im Vorteil. Doch es gibt andere Möglichkeiten. «Tatsächlich beschäftigen sich Unternehmen mit verschiedenen Formen, Mitarbeitenden Wohnraum anzubieten», teilt der ZIA weiter mit. Neben der Bereitstellung eigener Immobilien könnten Betriebe über Belegrechte auch Wohnungen anmieten und zu einem günstigeren Preis an die Mitarbeiter weitervermieten. So macht es etwa die Deutsche Bahn, die eine eigene Tochterfirma hat, die die Mitarbeitenden bei der Wohnungssuche unterstützt. In Hamburg, München, Köln und weiteren Städten stünden etwa 500 Plätze in möblierten DB-Apartments und Wohnheimen zur Verfügung, teilt der Konzern mit. Außerdem habe die DB mit verschiedenen Partnern Kooperationen geschlossen, durch welche DB-Mitarbeitende erleichterten Zugang zu Wohnungsbesichtigungen und Wohnungen hätten. «In dem unter Wohnraumaspekten besonders schwierigen Ballungsraum München hat sich die DB zudem rund 120 Belegungsrechte für Wohnungen gesichert, in denen DB-Mitarbeitende ein Zuhause finden können.» Trotz der wirtschaftlichen Krise, in der die Bahn derzeit steckt, wolle das Unternehmen an den Instrumenten festhalten. Mitarbeiterwohnen hat lange Geschichte! Wer Wohnraum für die Beschäftigten schaffen wolle, müsse in langen Zyklen und nicht in konjunkturellen Schwankungen denken, sagt Regiokontext-Berater Kesselhut. Das zeigt auch die lange Historie. Große Industriekonzerne wie Siemens oder BASF ließen zum Teil schon im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ganze Siedlungen für ihre Beschäftigten errichten. Auch der Autobauer VW ist seit Jahrzehnten dabei. In Berlin etwa entstand die Siemensstadt. In Ludwigshafen baute der Chemieriese BASF unter anderem die Hohenzollern-Höfe und die Hemshof-Siedlung. Auch damals ging es darum, die Arbeiter an sich zu binden. Bis heute unterhalten die Unternehmen eigene Sparten, die sich um das Thema kümmern. Angesichts des Fachkräftemangels dürften Betriebe künftig immer weniger drumherum kommen, sich mit eigenen Ansätzen zu beschäftigen. (Text: Matthias Arnold, dpa)